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Interdisziplinäre Tinnitus-Forschung Zürich

Tomographische Neurofeedback Interventionen bei älteren Pati-enten mit chronischem Tinnitus

Kooperationen

  • Prof. Dr. M. Meyer, Institut für Neuropsychologie, Universität Zürich
  • ESIT (European School for Interdisciplinary Tinnitus Research); https://esit.tinnitusresearch.net/, ein von der EU im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogrammes «Horizon 2020» gefördertes Projekt zur Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern in der Tinnitus-Forschung

Das chronische Ohrgeräusch (Tinnitus) ist eine Hörempfindung, die nicht durch ein äußeres akustisches Signal verursacht wird, sondern durch die Selbstaktivierung des Hörsystems entsteht und von den Betroffenen als reales, oft extrem belastendes Geräusch wahrgenommen wird.

 

Bis heute gibt es leider keine zufriedenstellende und wirksame Therapie, um Tinnitus bis zur vollständigen Remission zu heilen. Aktuell liegt der neuropsychologische Schwerpunkt auf der Untersuchung der Neuropathologie des Tinnitus. Zu diesem Zweck werten wir Daten aus, die wir anhand von Fragebögen und anderen verhaltensrelevanten Messinstrumenten sowie neurophysiologischen Verfahren gewonnen haben. Der unmittelbare Zweck dieses Vorgehens ist ein besseres Verständnis der Heterogenität von Tinnitussymptomatik bei Betroffenen und eventuell langfristig die Entwicklung eines Klassifikationsschemas zu Erfassung von Tinnitus-Subtypen zur besseren individuellen Behandlung.

 

 Auf dem Feld der Therapie testen wir derzeit mehrere neuromodulatorische Verfahren (tomographisches Neurofeedback, transkranielle Wechselstromstimulation, auditorisches "Entrainment"), die darauf abzielen, die neuralen Manifestationen des Tinnitus zu überschreiben. Dies geschieht indem die neuronalen Schaltkreise, die das chronische Ohrgeräusch aufrechterhalten, durchbrochen werden. Dafür wird die spontane Hirnstromaktivität der Betroffenen mit der zeitlich hochauflösenden Methode der Elektroenzephalographie (EEG) aufgezeichnet. Insbesondere die Auswertung der Verteilung der einzelnen Frequenzbänder im Spontan-EEG hat sich in diesem Zusammenhang als aufschlussreich erwiesen. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Tinnitus-Symptomen eine abnorme Verteilung der dominanten Frequenz in den α-, β-, θ- und γ-Wellen aufweisen. Das Neurofeedback-Verfahren folgt der einfachen Idee, bestimmte Aspekte der neuronalen Aktivität (z. B. das Ausmaß des Auftretens von α -Oszillationen) durch operante Konditionierung zu verändern. Der Proband erhält eine visuelle Rückmeldung der in Echtzeit gemessenen EEG-Aktivität mit dem Ziel, das Verhalten des Probanden entweder zu verstärken oder zu hemmen. Dabei lernt das Gehirn, automatisch und aus eigenem Antrieb die gewünschten EEG-Muster zu erzeugen und die unerwünschten Oszillationen zu unterdrücken. Im Idealfall verändert sich das Muster der spontanen EEG-Aktivität im Laufe mehrerer Trainingssitzungen in die gewünschte Richtung. Die Anwendung dieser innovativen Methode des tomographischen Neurofeedbacks (d.h. die Kombination von Neurofeedback mit den in den letzten Jahren entwickelten Methoden der EEG-Quellenschätzung) erlaubt es, gezielt bestimmte kortikale Regionen anzusprechen und deren Aktivität gezielt zu modulieren.

 

Behandlungsansatz für chronischen Tinnitus: Entwicklung des Neurofeedback-Trainings bei abnormer Hirnaktivität

Die erste Studie zur Anwendung von tomographischem Neurofeedback bei Patienten mit chronischem Tinnitus begann 2015 in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Universität Zürich (Prof. Dr. M. Meyer) und wurde 2017 von Güntensberger und Kollegen abgeschlossen. 48 Patienten eines weiten Alterspektrums wurden im Rahmen der Studie mit 15 Neurofeedback Trainingssitzungen behandelt. Das Besondere: in diesem Projekt wurde erstmals das Neurofeedback-Protokoll auf Basis der sLORETA-Quellenschätzung in der Behandlung des chronischen Tinnitus eingesetzt. Der implementierte sLORETA-Algorithmus schätzte die Hirnaktivität über Kortex und filterte die EEG-Daten so, dass nur die von dem Tinnitus betroffene Aktivität für das Feedback verwendet wurde. Die Ergebnisse sind vielversprechend; während des Verlaufs des Trainings wurde ein verringerter Tinnitus-bezogene Leidensdruck, und eine stabile Abnahme der Tinnitus Intensität gefunden.

 

Diese Auswertung bildet die Grundlage für ein Folgeprojekt, das sich mit dem Tinnitus im Alter beschäftigt. Die Prävalenz von chronischem subjektivem Tinnitus steigt im Laufe des Lebens an, weswegen Talaska und Kollegen 2018 mit ihrer Forschung mit älteren Patienten begonnen haben. Zudem konzentriert sich die aktuelle Studie auf drei spezifische Gehirnareale, die als Schlüsselstellen für den Tinnitus bekannt sind. Darüber hinaus wird eine umfangreiche Reihe von verhaltensbezogenen und psychometrisch standardisierten Selbstberichtsfragebögen eingesetzt. Basierend auf diesem multifokalen Neurofeedback erwarten wir oszillatorische Veränderungen, die zu einer Verringerung der Tinnitus-Symptome wie wahrgenommene Lautheit und Stress führen.

 

Die Forschung hat bereits ihren Weg nach Deutschland gemacht. Bis 2020 replizierten auch Jensen und Kollegen an der Philipps Universität Marburg die Bemühungen des Schweizer Teams. 120 Patienten nahmen an Neurofeedback Trainingssitzungen teil, während zusätzlich zur Vermeidung von Placebo-Effekten eine Tagebuch-Kontrollgruppe einbezogen wurde. Derzeit läuft weiterhin die umfangreiche Datenauswertung.